Musik – wenige andere Faktoren prägen unseren Alltag so stark wie sie. Ob bei der morgendlichen Dusche, dem Radio im Auto oder bei Feiern ist sie für unser individuelles Empfinden entscheidend und weckt unerwartete Dynamik. Auch in unserem Glaubensleben spielt Musik eine wichtige Rolle, was der Hl. Augustinus treffend konstatiert: „Wer singt betet doppelt“.
Beim Singen kommt es jedoch keinesfalls darauf an, andere in ihrem Gebet zu übertreffen oder sich selbst durch sein eigenes Gebet als erster bei Gott Gehör zu verschaffen. Eine quantitative Deutung wäre hier völlig fehl am Platz, denn wir können uns gewiss sein, dass Gott jedes noch so kleine und leise Gebet ebenso vernimmt wie alle anderen.
Gerne hätten wir zwar eine automatische Beziehung zwischen unserem Beten und dessen Erfüllung im Sinne von Zauberei, doch allzu oft bleiben unsere Gebete scheinbar unerhört, wenn sich eben gerade nicht erfüllt, was wir uns wünschen. Sollten wir deshalb aufhören zu beten?
Wer aufhört zu beten, hat die Hoffnung verloren. Auch wenn nicht immer eintritt, was wir uns wünschen, und blicken wir zurück, gilt die Quintessenz der „Spuren im Sand“ letztendlich immer wieder: Da, wo wir uns am einsamsten fühlten, wurden wir getragen, auch wenn wir es selbst nicht spürten.
Spezielles Gebet ist unser Gesang in der Liturgie. Texte und Melodien sind Ausdruck unserer jeweiligen Gemütszustände und decken alle Situationen unseres Lebens ab. Dabei unterstützt uns die Kirchenmusik immer wieder aufs Neue, „die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben“ (SC 120), ob dies laut lobend mit Inbrunst geschieht oder sanft schluchzend in Zeiten der Trauer.
Ausdruck unserer Empfindungen spiegelt seit langer Zeit die Kirchenorgel auf einzigartige Weise wieder, was auch das Konzil dazu bewegte, an Pfeifenorgel als „traditionelles Musikinstrument“ (SC 120) festzuhalten – und das nicht umsonst! Sowohl in freudigen als auch traurigen Momenten begleitet die Orgel die Liturgie und letztlich auch uns selbst in unserer Stimmung. Ihre Klangvielfalt deckt alle Lautheit und Stille ab und ihre unterschiedlichen Töne ergeben eine Harmonie, wie sie auch trotz unserer menschlichen Unterschiedlichkeit im Alltag geschehen soll.
Letztlich kommt es nicht darauf an, ob wir leise oder laut singen – leise oder laut beten. Wichtig ist, dass wir es tun, und dass wir es bewusst tun. Dann nämlich beten wir tatsächlich im Gesang doppelt, weil wir bewusst singen, worum wir beten.
Thomas Bittner
